Graffiti Recht Strafverfahren § 303 StGB Durchsuchung Tipps Beschlagnahme Rechtsanwalt Anwalt Farbschall
  Text von Farbschall e.V.
 

 

Der Text stammt von Uwe Buchholz vom Karlsruher Verein "Farbschall"

 

Egal ob legaler oder illegaler Sprayer - die Verfolgung durch die Ordnungsbehörden ist euch sicher.

Jeder, wirklich jeder an Graffiti interessierte Mensch ist aufgrund von Personalkontrollen an legalen Wänden bzw. durch Obser-
vierungen bei Veranstaltungen oder auch nur durch die freund-
schaftliche Verbundenheit zu Sprayerkreisen ein potentieller Täter.

Solltet ihr euch jetzt angesprochen fühlen, nachfolgend ein paar Bemerkungen über mögliche rechtliche Folgen, den Umgang mit Polizei und Staatsanwaltschaft und über Verhalten bzw. "Fehl-
verhalten" als Writer.

Die Bemerkungen haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und, mir besonders wichtig:

Sie ersetzen keine juristische Beratung!!!

Die Sprayerszene
Leider kommen die meisten Belastungen, Verhöre, Hausdurchsuchungen und Gerichtsverhandlungen nicht durch erfolgreiche polizeiliche Ermittlungsarbeit zustande, sondern durch Aussagen und Belastungen von Leuten aus der Sprayerszene selbst.

Der immense Druck durch die Ermittlungsbehörden im Verhör oder auch das versprochene bzw. erhoffte milde Urteil, veranlasst so manchen geschassten Sprayer auszupacken. Gerade die Unerfahrenheit und die rechtliche Unsicherheit im Verhör lässt viele Maler umkippen. Ihr werdet behandelt wie Schwerverbrecher. Dies auszuhalten und durchzustehen ist nicht leicht.

Also schaut euch eure "Sprayerfreunde" genauer an und seid behutsam in euren Äußerungen.

Dumm ist, wer mit seinen illegalen Taten prahlt.

Apropos Dummheit! Immer wieder konnte ich feststellen, dass es Maler gibt, die ihr illegales Tag auch bei öffentlichen Veranstaltungen bzw. an legalen Wänden verwenden.

Das Black-Book
Der Besitz eines Black-Books als solches bedeutet bereits einen dringenden Tatverdacht und reicht in der Regel für weitere Ermittlungsschritte, wie Hausdurchsuchung oder eine Ladung zur Vernehmung, aus.

Im Prinzip ist ein Black-Book wie ein Tagebuch zu behandeln, da es durch die Zeichnungen, Fotos und durch Eintragungen anderer Maler viel über euer Sprayerdasein hergibt. Ein beschlagnahmtes Black-Book gefähr-
det dich und auch andere.

Also überlegt euch genau, ob ihr überhaupt eins braucht (Schuhkarton tut's auch), wer sich im Buch verewigen darf und in welche Bücher ihr Hinweise über euch hinterlassen wollt.

Die Hausdurchsuchung
Seid ihr erst mal ins Visier der Polizei genommen worden, steht euch mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Hausdurchsuchung bevor. Wie eine Hausdurchsuchung abzulaufen hat, ist nicht willkürlich, sondern in der Strafprozessordnung (§ 102 - 110 StPO) genauestens geregelt.

Eine Hausdurchsuchung ist dann hinreichend begründet, wenn zu vermuten ist, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen wird. Auch die Durchsuchung bei anderen (z.B.: Kumpel, Freundin, Verwandte und Bekannte) ist möglich, wenn die Tatsache vorliegt, dass bestimmte Gegenstände oder Spuren sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet.

Steht die Polizei vor der Tür, lasst euch den Durchsuchungsbeschluss durch den Richter und die Dienstausweise der Polizisten zeigen und verlangt die Hinzuziehung eines Zeugen. Die Polizei kann einen Zeugen bestimmen, der aber kein Polizeibeamter sein darf. Ihr habt Anspruch auf einen Durchsuchungsbericht und auf ein Protokoll, in dem alle beschlagnahmten Gegenstände aufgelistet werden müssen.

Immer freundlich bleiben, aber nicht zu redselig sein. Schnell habt ihr euch verplappert. Auch keine Diskussion mit den Beamten führen.

Bei "Gefahr in Verzug", d.h. es besteht die Gefahr der Flucht oder der Beseitigung von Beweismitteln, reicht eine Durchsuchungsanordnung durch Staatsanwaltschaft oder Polizei aus. Dabei können weitere Räume durchsucht werden. Es darf dann auch nachts durchsucht werden. Die Begründung für "Gefahr in Verzug" unbedingt mitteilen lassen und notieren.

Auch eine so genannte Beschlagnahme ist möglich. Sie findet zumeist ohne die eigentlich notwendige richterliche Anordnung statt und wird gerne als Überraschungscoup der Polizei durchgeführt. Voraussetzung ist, dass die zu beschlagnahmende Sache als Beweismittel benötigt wird. Unbedingt den Durchschlag des Protokolls der Beschlagnahmung verlangen, aber nur unterschreiben, wenn es wirklich o.k. ist. Häufig glaubt die Polizei alles, aber wirklich alles für die Ermittlungen verwerten zu können. Neben Black-

Book, Fotos und Skizzen werden gerne Sprühdosen (meist die vollen unbenutzten, da Tatwaffe), Hip Hop Zeitschriften, diverse Datenträger und oft auch der ganze PC mitgenommen. Auch sensible Dinge wie Briefe, Tagebuch oder ähnliches werden gerne als Beweismittel bewertet.

Die Polizei interessiert sich grundsätzlich für alles, also auch für so genannte Nebenfunde wie z.B. illegale Videos, gebrannte CD-Roms, Verkehrsschilder, Rauchutensilien aller Art und vieles mehr, da diese Funde durchaus von strafrechtlicher Bedeutung sein können.

Es gab Fälle, in denen Hausdurchsuchte später in der Gerichtsverhandlung wegen illegalem Sprayen freigesprochen wurden, dafür jedoch wegen Lizenzvergehen durch gebrannte CD-Roms verurteilt wurden. Oder aber das Rauschgiftdezernat hat auf einmal ein viel größeres Interesse an weiteren Ermittlungen als die Graffiti-Soko.


Macht euch mal die Mühe, und überprüft sämtliche Dinge in eurer Wohnung auf evtl. rechtliche Folgen. Ihr werdet überrascht sein.

Die Vernehmung
Nach einer Hausdurchsuchung müsst ihr damit rechnen, dass ihr von der Polizei zu einer Vernehmung geladen werdet. Hier besteht oft eine Unsicherheit, ob ihr dieser Ladung Folge leisten müsst. Grundsätzlich gibt es keine gesetzliche Verpflichtung, zu dieser polizeilichen Vernehmung zu erscheinen. Es steht euch frei, ob ihr euch zu der Beschuldigung äußern wollt oder nicht.

Werdet ihr jedoch von der Staatsanwaltschaft oder von einem Richter zur Vernehmung vorgeladen, seid ihr verpflichtet zu der Vernehmung zu erscheinen. Kommt ihr dieser Verpflichtung nicht nach, und habt auch kein ärztliches Attest parat, könnt ihr zwangsweise zur Vernehmung vorgeführt werden. Auch hier steht euch frei, ob ihr euch äußern wollt oder nicht.

Das Strafrecht und das Zivilrecht
Seid ihr aufgrund von Sachbeschädigung durch Graffiti beschuldigt oder sogar bereits angeklagt, solltet ihr unbedingt die strafrechtlichen Folgen und die zivilrechtlichen Folgen trennen.



Strafrecht und Zivilrecht sind zwei Paar Stiefel!

Strafrechtliche Folgen:
In der Regel wird das Sprühen auf nicht genehmigten Flächen als Sachbeschädigung im Sinne des §303 des Strafgesetzbuches gewertet. Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Oft wird auch das verbotene Betreten eines Geländes (z.B. das Gleisgelände der Bahn) als Hausfriedensbruch nach §123 Strafgesetzbuch strafrechtlich verfolgt.

In der Praxis hat sich gezeigt, dass das Strafmaß zumindest bei "Ersttätern" in einem erträglichen Rahmen bleibt. Meist wird eine Geldstrafe verhängt, die sich nach eurem Einkommen richtet oder ihr habt Arbeitsstunden zu erbringen. Allein die strafrechtlichen Folgen löst bei den Verurteilten meist eine nachvollziehbare Erleichterung aus.

Die sich aus dem Urteil ergebenden zivilrechtlichen Folgen können jedoch vernichtend sein.

Übrigens, sollte das Strafverfahren wegen Geringfügigkeit, oder wegen Mangel an Beweisen oder mangels öffentlichen Interesses eingestellt werden, bedeutet dies keinen Freispruch wegen erwiesener Unschuld. Die Geschädigten können bei einer Verfahrenseinstellung trotzdem zivilrechtliche Ansprüche geltend machen.

Zivilrechtliche Folgen:
Die strafrechtliche Verurteilung löst eine massive zivilrechtliche Schadensersatzpflicht aus.

Gerade wenn sich die Verurteilung auf zahlreiche Sachbeschädigungen begründet, müsst ihr davon ausgehen, dass die Geschädigten von der Staatsanwaltschaft informiert werden, diese dann durch Anzeige ihre Schadensersatzansprüche geltend machen werden. Ruckzuck werdet ihr durch einige tausend Euro belastet, die euch unter Umständen ein Leben lang begleiten werden. Die Geschädigten können Schuldtitel erwirken, die erst nach 30 Jahren verjährt sind.

Deshalb ist allein oder hauptsächlich aufgrund der zivilrechtlichen Folgen die Vertretung durch einen Anwalt ratsam. Erfreulicherweise haben sich mittlerweile einige Anwälte auf Graffiti spezialisiert. Hört euch um, falls ihr einen Anwalt in Erwägung zieht. Die Guten sind in der Szene bekannt.

Zum Schluss
Diese Bemerkungen sollen keine Panikmache darstellen, sondern spiegeln meine Erfahrungen als Streetworker mit der Graffiti-Szene wieder.

Hierbei hat mich die Naivität vieler Maler überrascht, die Dummheit vieler pseudocooler Writer genervt und die Machenschaften von Polizei und Staatsanwaltschaft erschreckt.

If art is a crime, may god forgive us.

 

 
 
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